Zur Ausstellung "Junge Kunst in der IHK" sprach Frau Dr. Susanne Schulte, GWK-Geschäftsführerin 16.11.1999

(Von den Arbeiten der Ausstellungsteilnehmerin Jessica von Helmolt wurde übergeleitet:)

... Das Symbol bezeugt die Einheit von dargestellter und natürlicher Welt. Es geht davon aus, dass die Welt eins ist und durchsichtig, verständlich, dass die Widersprüche harmonisiert werden können und doch zugleich die Unterschiede der Wesen, das Individuum mit seinem unverwechselbaren Gesicht, gewahrt sind.

In der dreiteiligen Installation von Ulf Lebahn nun scheint gerade diese optimistisch-humanistische Grundposition in frage gestellt. Der Steinbildhauer platziert seine Steinobjekte in schmuddelige Interieurs. Die mit diversen Materialien des alltäglichen Bedarfs wie Wohnzimmersessel, Pinsel, Kette, Schränkchen, Sofakissen, Flasche, Zaun, etc. (auch das IHK-Schild "Sitzungssaal" ist irgendwie integriert) kombiniert und arrangiert sind. Im Unterschied aber zu den meisten Alltagsgegenständen lassen sich diese Steinwesen nicht eindeutig identifizieren. Sie erscheinen, wie die Formen Jessica von Helmolts, als organische Gestalten, doch anders als jene verursachen diese Wesen, nicht zuletzt durch den Gegensatz zum vertrauten Wohnzimmerkontext, eine große Unsicherheit der Deutung.

Denn sie nehmen die vertrauten Plätze der Menschen ein oder des Haustiers, des Kuscheltiers oder aber der Tischplatte, die darin ihrerseits seltsam lebendig wird und im nächsten Moment die Schnapsflasche umzukippen droht, wie der "Nierenstein", so der Titel der Arbeit, den falsch Ernährten oder eher Flüssiggenährten umkippen kann. Die kategorialen Grenzen sind aufgehoben in diesen seltsamen materiellen Balanceakten. Die Steinobjekte fungieren ja nicht als Metaphern oder Platzhalter für die genannten anderen Wesen und Dinge, sondern sind doch eigentlich nur sie selbst, eben seltsame, mal schöne, mal abstoßende Formen aus Stein, die nichts anderes abbilden als sich selbst, obwohl sie, wie die wilden Tiere im Zoo - als seien sie gefährlich - eingezäunt sind. Oder aber wie Menschen in ihrer Wohnung?

Ulf Lebahn spielt damit, dass, wie Christoph Kerber (ebenfalls Ausstellungsteilnehmer) sagt, unser Auge nach Erinnerungen sucht, "nostalgisch" ist. Wir sehen einen absurden Steinzeit-50er-90er-Bildhauerei-Installations-Mix und damit die Gestalt gewordene Frage nach der Differenz, den Differenzen, den Widersprüchen, Grenzen und Gestalten, Fragen und Spannungen im Leben, nach der Gestalt und Gestaltung des Lebens




Westfälische Nachrichten vom 18.11.1999

Kunst zum Anbeißen?

(Ausstellung im IHK-Foyer am Sentmaringer Weg)

von Susanne Lang

Zum Anbeißen sahen die kleinen braunen Klumpen nicht aus. Doch die schokoladigen "Handschmeichler" zwischen edel, bitter und sahneherb, die der münsterische Künstler Ulf Lebahn auf seinem Kunstflohmarkt anlässlich der Vernissage von "Junge Kunst in der IHK" am Dienstag anpries, waren ja auch nicht zum Verzehr gedacht. Seine süße Überraschung war mehr ein symbolisches Appetithäppchen für die experimentierfreudigen Arbeiten der acht westfälischen Künstler Mark Gabriel, Christoph Kerber, Ulf Lebahn, Uta Müller, Dirk Pleyer, Claudia Tebben, Jessica von Helmolt und Bettina Wächter im Foyer der Industrie- und Handelskammer.

Denn die Ausstellung zeigt nicht nur einen Querschnitt durch das aktuelle Kunstgeschehen, sondern besticht auch mit ungewöhnlichen Arbeiten, die das assoziative Spiel mit dem Betrachter in den Mittelpunkt stellen. Großformatige, abstrakt intuitive Malerei, Grafiken und Siebdrucke zu den Motiven Licht und Raum bilden den Kern der Ausstellung. Abgerundet wird die formale und inhaltliche Spannbreite mit einer bildhauerischen Installation von Ulf Lebahn. In seinen Arrangements "Nierenstein" oder "Das Drama der Nacht" kombiniert er bearbeitete Natursteine mit Alltagsgegenständen, und schafft so eine unkonventionelle Fläche für subjektive Assoziationen.